Erstellt am: 22.01.2022 14:25
Von: Pfr. Tobias Weimer, Matthäuskirche Backnang


Wie geht's?

Eine Frage, hinter der sich mehr verbirgt.


Neulich traf es mich ganz unvermittelt, irgendwo auf einem zugigen Bahnhof: „ Hey, wie geht’s?“ Ich wollte schon Luft holen, um dem lange nicht gesehenen Freund zu antworten, da schob er flott hinterher: „Alles gut?!“ Ja, danke für das Gespräch, dachte ich. Solche Scheinbegegnungen der flüchtigen Art sind verzichtbar.

Die Begebenheit machte mich nachdenklich: „Wie geht’s?“ Die Frage ist wichtig. Wichtiger denn je. Weil es vielen Menschen nicht gut geht. Und wir Räume und Zeiten brauchen, um ganz offen darüber zu reden. „Wie geht’s?“ kann ein sehr persönliches Gespräch eröffnen, kann helfen, wahrzunehmen, wie es wirklich geht. Nein, das lapidare „Alles gut“ oder das neugierige Aushorchen sind verzichtbar. Aber ehrliches Interesse ist angesagt.

„Wie geht’s?“ ist eine zentrale Frage Jesu, mit der er Menschen in ihrer Situation aufsuchte. „Was kann ich für dich tun?“ fragt Jesus voller Interesse, um dann gemäß der Antwort zu helfen, zu trösten. Um dann das lösende und erlösende Wort zu sprechen oder die Hand aufzulegen und zu segnen. Der Wunsch des Menschen war ihm Auftrag.

Ein „Wie geht’s?“ fragt nach dem persönlichen Empfinden. Es fragt auch nach Lösungen: Wie kriegen wir die Probleme gelöst? Wie kann ich mit meinen Fragen und Sorgen zurechtkommen? Wie ist die Therapie für meine Krankheit? Wie kann man die Beziehung retten? Wie kann es wieder gut werden zwischen uns …? „Wie geht’s?“ Flüchtiges Vorbeihuschen hilft nicht. Es braucht Zeit und sorgsames Wahrnehmen.

Immer mal wieder spiele ich mit Gott so ein Gespräch durch, greife Jesu Frage auf: „Wie geht’s?“ Ich rede mit ihm, als säße er neben mir auf dem Sofa oder gut angeschnallt auf dem Beifahrersitz im Auto. „Halt dich fest, jetzt erzähle ich dir mal, was ich denke und empfinde, was du für mich tun kannst …“ Es wird dann sehr persönlich. Und es tut gut. Klar, ich sehe Gott nicht. Aber im Erzählen und gehört Werden erfahre ich sein Interesse – und Bestärkung. Gott interessiert sich für mich – für Sie, genial!

Ich finde, mit „Wie geht’s?“ könnten wir verfestigte Meinungen und festlegende Beurteilungen aufbrechen, kompromisslose Ausgrenzungen und Polarisierungen überwinden oder auf voreilige aber nutzlose Ratschläge verzichten und stattdessen offenes und ehrliches Interesse füreinander leben.

Dazu hat Jesus Menschen erlöst, und persönlich gestärkt, dass sie hören und sehen. Und nicht nur meinen, vermuten, sich abgrenzen und verurteilen.

Wie geht’s? Womit kann ich dir dienen? Worum geht’s dir eigentlich? Gute Fragen, die unser Bild voneinander verändern. Und wer darauf vertraut, dass Gott sich für ihn interessiert, der hat keine Scheu die ganze Wahrheit zu hören, wie es wirklich geht.

Pfr. Tobias Weimer, Matthäuskirche Backnang