Erstellt am: 12.07.2023 10:00
Von: Diakon Manfred Zoll, Leiter der Kirche Unterwegs Weissach im Tal


Meine kleine Geschichte

Ich war ein Handwerkerkind....


Ich war ein Handwerkerkind aus einfachen Verhältnissen. Meine Abstammung war eher diffus: Unehelich geboren, der Älteste von mehreren Geschwistern, meine Eltern: Maria und Josef. Aufgewachsen bin ich in einem Kuhkaff namens Nazareth, das kein Mensch kannte und das mangels Straße nur querfeldein erreichbar war. Die meiste Zeit meines Lebens verbrachte ich in diesem belanglosen, ereignisfreien Nest. Ich arbeitete im Handwerksbetrieb meines Vaters. Bis ich eines Tages Nazareth verließ.

Ich hatte nie Geld in der Tasche. Meine Freunde und Freundinnen waren meist einfache Leute. Nur eine kurze Zeit reichte, damit ich berühmt wurde. Wobei das nie mein Ziel war. Nicht einen Satz habe ich schriftlich hinterlassen. Was von mir überliefert wurde, haben andere aufgeschrieben. Ich habe keinen Verein, keine Kirche, keine Selbsthilfegruppe gegründet. Man sagt, Religion sei das Gute und Schöne. Aber mein Leben war arm und schlicht, mein Ende war hässlich, verlassen, einsam.

Dennoch bin ich wohl die Person der Weltgeschichte, über die man die meisten Bücher geschrieben und Lieder komponiert hat. Unzählige Gebäude wurden in meinem Namen errichtet – eine weltweite Bewegung entstand. Warum ich so berühmt wurde, das weiß allein Gott.

Aber was mich wirklich ärgerte, war, wenn Leute mich für ihre Interessen vereinnahmten, wenn sie mich und meinen Namen benutzten, um ihre Schandtaten zu rechtfertigen oder zu vertuschen.

Dagegen legte ich Wert auf etwas anderes, vielleicht interessiert es dich? Wichtig war mir, den einzelnen Menschen wahrzunehmen, ihm Gottes Gegenwart zusprechen, mich Leuten zuzuwenden, die Hilfe brauchten. Dabei schaute ich nicht auf das Ansehen der Person. Mann oder Frau waren mir gleich würdig und wertvoll.

Eine Begegnung blieb mir in tiefer Erinnerung: Ich traf einen Mann, der sagte: „Ich habe keinen Menschen.“ Nur diese vier Worte. Ich sah ihm in die Augen, sie waren wie leere Fensterhöhlen. Stellt Euch diese Einsamkeit vor! Nur für kurze Zeit wurde ich ihm zu einem Mitmenschen. Diese Zuwendung reichte, damit er innerlich und äußerlich auf die Füße kam und neuer Glanz aus seinen Augen strahlte.

Ja, wenn man einen Menschen wirklich wahrnimmt, dann sieht man, welche Kraft in ihm lebt. So war es wunderbar zu sehen, wie Menschen sich veränderten, die ich auf die Kraft ihres Glaubens ansprach.

Auch ich selbst erlebte, dass Gott sich zu mir bekannte. Und das war wundervoll. Aus einem hässlichen Ende wurde ein ganz neues Leben. Ich weiß, ihr nennt das Auferstehung. Das klingt gut. Doch bedenkt: Das Geheimnis meines neuen Lebens, kennt allein Gott.

Jetzt kennst du mich ein bisschen besser und gerne darfst du mir glauben, dass mir sehr viel an dir liegt. Ich sehe dich und habe dich erwählt. Ja, auch dich habe ich dazu bestimmt, Frucht zu bringen. Und, glaub mir, diese Frucht bleibt für immer.

Diakon Manfred Zoll, Leiter der Kirche Unterwegs Weissach im Tal


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