Ein Lächeln ins Gesicht zaubern

Gedanken zum Erntdeank

Es ist Sonntag. Ich sitze in einer gemütlichen Gaststube, nahezu alle Tische sind besetzt. Ja, Hunger habe ich, aber ich freue mich vor allem darüber, dass weder meine Frau noch ich heute in der Küche werkeln müssen. Und dass es etwas Feines zu essen geben wird, das wir selbst zuhause nicht kochen. Fleisch zum Beispiel. Das findet sich bei uns unter der Woche selten auf dem Tisch. Ein freundliches Gesicht nähert sich und frägt nach meinem Getränkewunsch. Und dann, erstversorgt mit einem erfrischenden Schluck, kann ich gern eine Weile aufs Essen warten. Ich beobachte die anderen Menschen, versuche diskret zu sein. Vielleicht probieren Sie einmal meinen sexistisch anmutenden Versuch: Am Nachbartisch werden Salatteller serviert. Ich sehe lächelnde, manchmal strahlende, Frauengesichter und daneben eine eher missmutige oder gar griesgrämige Männermimik. Ohne einen Moment innezuhalten, sticht die Gabel ins Grüne und schaufelt die Vitamine zum Mund. Als dann ein „ordentliches“ Stück Fleisch auf den nächsten Tellern gebracht wird, strahlt fast jeder Mann, und einigen Frauen steht banges Erschrecken ins Gesicht geschrieben. Vielleicht, aber das ist pure Spekulation, verbunden mit der Frage: Wie soll ich diese Portion schaffen? Zum Schluss kommt der Nachtisch – und alle lächeln vergnügt. Süßes vereint.

Ich selber bin kein Salate-Fan, aber ich will am morgigen Sonntag zu Erntedank der ganzen Speisefolge entgegenlächeln. Und damit der Bedienung, die mich so verwöhnt – an ihrem Sonntag. Und dem Küchenmeister, der mein Lächeln nicht sehen, aber vielleicht davon hören kann. Und der Bäurin, die die Kartoffeln für den Salat gesteckt und geerntet hat. Und dem Gott, der mir so viel Genussreiches zum Leben gönnt. Drum vor dem ersten Gabelstich: Ein fröhliches Danke! Und ein Lächeln verbreitet sich nicht nur über mein Gesicht.

Steffen Kaltenbach, Pfarrer, Fornsbach-Kirchenkirnberg