Erstellt am: 04.11.2023 15:59
Von: Carsten Wriedt, Diakon der katholischen Kirche in Backnang


Dunkelheit

Zeit für stille Betrachtung


Der November beginnt mit den Festen Allerheiligen und Allerseelen, dann folgen der Volkstrauertag und der Toten- bzw. Ewigkeitssonntag.

Zusammen mit der dunkleren Jahreszeit, vor allem dem frühen Dunkelwerden nach der Zeitumstellung, haben Menschen Angst vor dieser Zeit. „Schrecklich, wenn alles nur noch dunkel ist“: So höre ich es immer wieder.

Nehmen wir die Einladung der dunkleren und kühleren Jahreszeit an, nicht mehr so viele Aktivitäten außer Haus zu haben, sondern unsere „Drehzahl“ abzusenken, wieder still zu werden und zu entdecken, was es noch gibt im Leben: Da liegt das Fotoalbum, dort ein gutes Buch (… wollte ich schon so lange mal lesen …) und der frisch zubereitete Kaffee muss nicht im Stehen, in Eile getrunken werden.

Stille, Nachdenken, Erinnern: Wer gehört zu meinem Leben, was ist unwiderruflich vergangen, was macht das Erinnern mit mir?

Dietrich Bonhoeffer formuliert:

Je schöner und voller die Erinnerung,
desto schwerer ist die Trennung.
Aber die Dankbarkeit verwandelt
die Erinnerung in eine stille Freude.
Man trägt das vergangene Schöne
nicht wie einen Stachel,
sondern wie ein kostbares Geschenk in sich.“

Ein kostbares Geschenk: Damit muss man behutsam umgehen, Zeit lassen, der Glückseligkeit Raum geben, dass mir da etwas ganz Persönliches gehört. Z.B. das Gedenken der Verstorbenen, denen ich so viel zu verdanken habe. Am Allerseelenfest versuche ich, alle Verstorbenen aus meinem Lebenskreis zu bedenken: Was wäre ich ohne sie alle gewesen oder geworden?

Bei manchen tut die Erinnerung weh: Schade, dass dieser liebe Mensch nicht mehr mit mir geht. Oder doch? Als Christen beten wir immer wieder: „Ich glaube an die Auferstehung.“ Jetzt ist die Gelegenheit, dass dieser Glaube Kraft gibt.

Und dann gibt es die Erinnerung an Streit, an ungelöste Konflikte. Auch da bekennen wir Christen: „Ich glaube an die Vergebung der Sünden.“ Was im Leben nicht gelang, darf auch noch post mortem ausgesprochen werden, um etwas für die Versöhnung zu tun.

Je älter man wird, umso mehr Menschen, Ereignisse, Beziehungen können erinnert, betrachtet, bearbeitet werden: Gut, wenn der November uns mit Stille und Dunkelheit einlädt, dafür Zeit zu nehmen. Vielleicht brennt auch mal wieder eine Kerze und verkündet etwas von dem ewigen, österlichen Licht.

Carsten Wriedt, Diakon der katholischen Kirche in Backnang


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