Erstellt am: 09.04.2013 20:37
Von: Dieter Eisenhardt Dekan i. R., Backnang


Mein liebstes "Du"

Begegnungen mit einem alten Liebeslied


„Lobe den Herrn, meine Seele und was in mir ist, seinen heiligen Namen“, so beginnt der 103. Psalm.

Ich rufe mein Innerstes auf Gott zu loben und erlebe im Gotteslob eine wundersame Verwandlung. Ich werde aufgehoben und erfahre mich und die Welt in einem neuen Horizont. „Sub specie aeternitatis“. Im Lichte der Ewigkeit erscheint alles in einem neuen Glanz.

Stimmt das wirklich?

Wenn die Bibel von Gott redet, dann spricht sie immer auch vom Menschen, also, von mir.

Meine Seele ist angesprochen. Wir denken an das in uns Menschen, was mit Religion, mit Frömmigkeit zusammenhängt. Manchmal höre ich: Ich bin nicht so fromm, vermutlich habe ich keine religiöse Antenne. Manche wundern sich, wenn ich dann sagen muss: Ich bin auch nicht so fromm, wie sie vielleicht meinen. Auch ein Pfarrer weiß um die dunklen Abgründe des Herzens; Angst und Zweifel sind mir nicht fremd.

Deshalb bin ich von Herzen dankbar, dass dort, wo die Bibel von Gott und uns Menschen redet, keine frommen Klimmzüge erwartet werden. Wo Gott zur Sprache kommt, da darf alles ans Licht kommen. Dafür ist der 103. Psalm ein schönes Beispiel.

Wir lesen da: „Der dir alle deine Sünde vergibt“. Das Dunkle wird nicht tot geschwiegen. Es wird angesprochen vor einem liebenden „Du“.

„Und heilet alle deine Gebrechen“. Die Leiden des Menschen und das Leid der Welt werden nicht verdrängt. Da ist ein offenes Ohr für die wachsenden Gebrechen meines Alters und für das verborgene Leiden meiner Seele.

„Der dein Leben vom Verderben erlöst“. Wörtlich übersetzt heißt das: „Der dein Leben aus der Grube loskauft“. Da ist Einer, der mich aus dem tiefen Loch reißt, in das wir versinken, wenn der Tod uns holt.

Gott, das hat in diesem alten Liebeslied mit Vergebung und Heilung, mit Vertrauen und Freiheit zu tun. Erstaunt und beglückt erlebe ich: Ich kann und muss mich nicht mir selber verdanken. Ich verdanke mich Gott und ich darf darauf vertrauen: Er ist mein liebstes „Du“.


Dieter Eisenhardt Dekan i. R.




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