Erstellt am: 02.09.2021 16:07
Von: Pfarrer Tobias Weimer, Matthäuskirche Backnang


Kleine Philosophin

„Gott ist ein bisschen komisch hergestellt, ..."


„Gott ist ein bisschen komisch hergestellt, weil man den nicht sehen und hören kann.“ Eine Woche bevor die Schule wieder beginnt, denke ich an diesen Satz einer Grundschülerin. Ich hatte ihn vor einigen Wochen im Vorbeigehen gehört, als sich Kinder im Grundschulalter unterhalten haben. Seitdem denke ich immer wieder über diesen Satz nach.

„Gott ist ein bisschen komisch hergestellt“, hat die Schülerin gesagt. Klar: Gott sehen und hören, wer kann das schon? Ich kenne welche, die sagen deswegen, dass es Gott nicht gibt. Die Schülerin denkt aber anders. Für sie gibt es Gott schon, er ist halt nur „komisch hergestellt“.

Ich weiß nicht genau, wie sie das gemeint hat. Aber was ich mir gut vorstellen kann: Sie hat festgestellt, dass Gott anders ist, als sie ihn sich bisher vorgestellt hatte. Vielleicht hatte sie bei Gott davor an einen alten weißen Mann mit Rauschebart gedacht, der auf einer Wolke sitzt. Aber irgendwie passt das für sie nicht mehr. Vermutlich wird ihr das noch öfter so gehen. Denn wie man sich Gott vorstellt, das verändert sich im Leben. Im Kindesalter wechselt die Gottesvorstellung besonders schnell, aber auch danach im Leben immer wieder.

Die Schülerin wundert sich also über Gott. Man kann ihn nicht sehen und hören. Aber irgendwie handelt und spricht er doch trotzdem. So klang der Satz für meine Ohren. Aber wie macht er das, fragt sie sich. Da gehen meine Gedanken weiter: Gott handelt durch uns Menschen, denke ich. Aber ist das die ganze Wahrheit? Die streitbare Theologin Dorothee Sölle hat so gedacht. Sie hat nämlich gesagt: „Gott hat keine anderen Hände als unsere.“ Und ja, natürlich greift Gott nicht mit seiner Hand vom Himmel auf die Erde und hilft irgendwem damit in einer Notsituation. Aber gibt es nicht dennoch manchmal Situationen, die einfach „wunderbar“ sind. Wo zum Beispiel ein Unfall nicht schlimm endet, ganz unerklärlich. Wie ein Wunder?

Erstaunlich, auf welche Gedanken Schülerinnen und Schüler mich bringen. Seit ich diesen Satz gehört habe, denke ich immer wieder darüber nach, wie „komisch hergestellt“ Gott ist und wie er handelt. Und ich bin gespannt: Vielleicht sitzt die kleine Philosophin im kommenden Schuljahr bei mir im Religionsunterricht. Denn es würde mich schon sehr interessieren, wie sie sich Gott gerade vorstellt.

Pfarrer Tobias Weimer, Matthäuskirche Backnang


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