Erstellt am: 23.04.2023 22:53
Von: Tobias Trumpp, Sozialarbeiter & Diakon, Backnang


Kleine und große Katastrophen

Vom Umgang mit den seelischen Nöten in unserem Land


Eine Boeing 747 hat ungefähr 400 Sitzplätze. Ein riesiges Flugzeug. Ich bin schon einmal in so einer riesigen Maschine gesessen und war durchaus beeindruckt davon, wie viele Menschen da hineinpassen. Als ich dann so darüber nachdachte, dass dieses Flugzeug gleich abheben wird und ich dann mehrere tausend Meter über dem Meer fliegen werde, wurde mir doch ein wenig mulmig. Doch irgendwie wusste ich auch, dass das Flugzeug eines der sichersten Verkehrsmittel ist. Das letzte große Flugzeugunglück in Europa ist über acht Jahre her. Und in den letzten Jahren gab es stets weniger als 200 Todesopfer bei Unfällen im weltweiten Flugverkehr.

Das Auto ist da schon deutlich gefährlicher. Jährlich sterben in Deutschland über 2000 Menschen an einem Autounfall. Eine andere Zahl dagegen ist noch deutlich höher. Jährlich sterben alleine in Deutschland über 8000 Menschen durch Suizid. Also weil sie ihrem Leben selbst ein Ende machen. Zum Vergleich: Das wäre also so, als ob alle zwei bis drei Wochen eine Boeing 747 abstürzen würde.

Das schockiert mich, denn während unsere Flugzeuge und Autos immer sicherer werden, habe ich das Gefühl, dass es zu wenig Suizidprävention gibt. Autos haben Airbags, Bremsassistenten, Spurhalter und alles Mögliche. Politiker bewilligen Gelder für Forschungsprojekte. Experten aus den unterschiedlichsten Ländern dieser Welt forschen jeden Tag, um die Autos, Flugzeuge und Züge noch sicherer zu machen. Eine solche Aufmerksamkeit wünsche ich mir auch für den Umgang mit psychischen Problemen.

Ich arbeite als Sozialarbeiter und Diakon im Bereich der Sozialpsychiatrischen Hilfen und bin daher an jedem Arbeitstag mit psychischen Problemen konfrontiert. Und daher weiß ich, dass es auch hier gute Hilfe gibt. Aber ich sehe auch, dass wir in diesem Bereich als Gesellschaft noch wachsen können. Und zwar darin, indem wir offener über Depressionen und andere psychische Erkrankungen sprechen. Indem wir die Probleme der Menschen um uns herum ernst nehmen. Ihnen wirklich zuhören. Und auch die Menschen wahrnehmen, die alleine sind. Wenn uns das gelingt, dann glaube ich, kann unsere Gesellschaft zu einem Airbag für die Seele werden.

Tobias Trumpp, Sozialarbeiter & Diakon, Backnang
Kreisdiakonieverband Rems-Murr-Kreis


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