Erstellt am: 20.04.2012 11:37
Von: Pfrin. Elke Gebhard, Backnang


Er liest uns die Leviten

Gedanken zum Hirtensonntag - Der gute Hirte, Trost und Herausforderung.


„Ich hoffe, dass er uns die Leviten lesen wird.“ Können Sie sich an diesen Satz im Zuge der Bundespräsidentenwahl erinnern? Von der Person, die das höchste Amt des Staates innehat, wird Kritik und Mahnung erwartet. Es wurde dabei auch auf Joachim Gaucks früheren Beruf Bezug genommen: Pastor, - ein lateinisches Wort, das eigentlich Hirte bedeutet. Bemerkenswert, dass Politiker von diesem „Hirten“ an oberster Stelle auch Widerspruch erwarten!
Der morgige Sonntag ist der „Sonntag vom guten Hirten“ – und damit ist nicht der Bundespräsident, sondern Gott gemeint. Meist wird der Psalm 23 gebetet: „Der Herr ist mein Hirte, mir wird nichts mangeln. Er weidet mich auf einer grünen Aue und führet mich zum frischen Wasser. Er erquicket meine Seele. Er führet mich auf rechter Straße um seines Namens willen.“ In diesem wohl 3000 Jahre alten Gebet lobt jemand die Fürsorge Gottes im Bild vom Schafhirtenleben – er hat ihn als seinen Hirten erlebt. Wir spüren seine große Dankbarkeit für das momentane Lebensgeschick - auch seine Einsicht, dass es teilweise unverdientes Glück ist. Zwar gab es auch schwierige Zeiten, aber im Moment geht es ihm leicht über die Lippen: „Und ob ich schon wanderte im tiefen Tal, fürchte ich kein Unglück, denn du bist bei mir, dein Stecken und Stab trösten mich.“ Die positiven Erlebnisse sind die Grundlage für sein Vertrauen, dass er auch in kommenden Schwierigkeiten Gottes Fürsorge erleben wird, die die eigenen Lebenskräfte stärkt.

Wer gerade in Not ist, hätte wohl gern jemanden, der voller Fürsorge schnell den Weg zu besseren Umständen weist. Vielleicht ist das derzeit der Wunsch von ehemaligen Mitarbeitern bei Schlecker oder verschiedenen Solarfirmen. Wer aber gerade gute Zeiten erlebt, empfindet die Vorstellung, dass Gott ihn voller Fürsorge leitet, womöglich unter seiner Würde: ich bin doch kein dummes Schaf, ich kann selber für mich sorgen.
 
„Ich hoffe, dass er uns die Leviten lesen wird“ - ein Wunsch an den Bundespräsidenten. Können wir uns vorstellen, Gott als eine Instanz zu sehen, die uns „die Leviten liest“? Da wären wir jedenfalls ernst genommen in unserem Wissen um Gut und Böse, in unserer Entscheidungsfähigkeit. Ob Gottes Fürsorge auch darin besteht, dass wir Denkanstöße erhalten für ein gesundes Gemeinwesen? Die Profeten des Alten Testaments befassen sich intensiv mit Problemen in ihren Staaten. Der Profet Micha formuliert seinen Denkanstoß im Auftrag Gottes so: Es ist dir gesagt, Mensch, was gut ist, und was Gott von dir fordert: nichts als Recht tun und Güte lieben und aufmerksam mitgehen mit deinem Gott. (Micha 6,8)

Am „Sonntag vom guten Hirten“ dürfen wir uns der Fürsorge Gottes vergewissern. Für den einen kann es persönliche Tröstung in schwerer Zeit oder Ermutigung zur Dankbarkeit in guter Zeit sein. Für einen anderen kann sie „Levitenlesen“ sein: Handle nach meinen Maßstäben.
Pfarrerin Elke Gebhardt, Backnang

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