Erstellt am: 12.12.2012 10:19
Von: Pfr. Fran Wessel, Sachsenweiler-Steinbach


Mache dich auf und werde Licht

Ein Aufruf zur Aktivität im Advent


Über dem Monat Dezember steht das Wort aus Jesaja 60,1:

Mache dich auf und werde licht; denn dein Licht kommt, und die Herrlichkeit des Herrn geht auf über dir!

Dies ist ein Aufruf zur Aktivität: „Mache dich auf!“ D.h. „Steh auf! Bleib nicht sitzen!“ Es ist ein Aufruf zum Aufbruch. Dieser doppelte Befehl ist zugleich ein Aufruf zum Leuchten. Wir alle freuen uns über leuchtende Angesichter! Wenn bald Weihnachten kommt, denken wir besonders an leuchtende Kinderaugen, wenn sie gespannt auf den Einlass ins Bescherungszimmer warten, bis sich die Tür zum Bescherungszimmer endlich öffnet und die Kinder die Erfüllung eines vielleicht schon lange gehegten Wunsches erleben, nachdem sie sich aufgemacht haben – vielleicht, um vor der Bescherung noch bei jemandem etwas vorbeizubringen oder um noch einen Besucher abzuholen, um gemeinsam Weihnachten zu feiern.

„Mache dich auf und werde licht!“

Für Menschen in einer freudigen Erwartung – wie Kinder vor und an Weihnachten – kommt dieser Befehl wie gerufen.

Doch gerade in der äußerlich dunklen Jahreszeit, gerade in der Advents- und Weihnachtszeit, in der man sich für das große Fest vorbereitet, in der die Städte weihnachtlich geschmückt sind, in der man sich an die eigene Kindheit erinnert, gerade da erleben viele Menschen mit Macht die dunklen Seiten ihres Lebens. Gerade in der Advents- und Weihnachtszeit wird eigenes Scheitern besonders schmerzlich erlebt, wiegt der Ärger zuhause oder am Arbeitsplatz besonders schwer, fällt ein gescheiterter guter Vorsatz besonders ins Gewicht, ist der Schmerz über den verstorbenen Angehörigen besonders stark. Trotz aller Bemühungen will keine rechte Freude aufkeimen. Der Befehl „Mache dich auf und werde licht!“ wirkt unpassend, ja geradezu verletzend: Warum soll ich jetzt einen Befehl ausführen, zu dem ich gerade wegen meiner persönlichen Verfassung gar nicht in der Lage bin?

Auch junge Menschen kennen das: Man ist nicht immer gut drauf. Wie soll ich mich aufmachen und licht sein, wenn ich mich so fühle, dass ich am liebsten am Morgen im Bett bleiben will?

Wie soll ich mich aufmachen, wenn ich unten in der dunklen Grube hocke? Wie kann ich da licht sein, wenn in mir und um mich herum alles dunkel ist?

Und dennoch hat der Aufruf „Mache dich auf und werde licht!“ sein Recht, weil es weiter heißt: „Denn dein Licht kommt, und die Herrlichkeit des Herrn geht auf über dir!“

In der Sprache des Propheten Jesaja kann man diese zweite Satzhälfte sogar als Vergangenheitsform verstehen:

„Denn dein Licht ist gekommen, und die Herrlichkeit des Herrn ist über dir aufgegangen!“ D.h. Gott hat sich schon auf den Weg gemacht zu mir. Gerade in unser Dunkel will er hineinkommen. Gerade weil es in der Welt dunkel ist, gerade weil in der Welt viel gelitten und gestorben wird, ist Jesus als das Licht der Welt zu uns gekommen. Wäre in der Welt alles in Ordnung, hätte er nicht zu kommen brauchen.

Darum feiern wir Advent: Unser Herr selbst hat sich auf den Weg gemacht in diese Welt, zu uns, und er kommt darum auch heute mit seinem Licht zu uns, damit bei uns Advent wird!

„Mache dich auf und werde licht!“ Dieser Ruf appelliert nicht an unsere eigenen Möglichkeiten, sondern die Aufforderung ergeht an alle im Dunkel Sitzenden, weil sich Gott selbst zu uns aufgemacht hat im Kind in der Krippe, in Jesus. Wir selbst müssen nicht ein Licht erzeugen, sondern dürfen zum Licht kommen und uns von ihm bescheinen lassen, so wie das Sonnenlicht den dunklen Mond bescheint und dieser das Licht einfach reflektiert. Der Mond selbst kann kein Licht zum Leuchten erzeugen, aber er kann sich bescheinen lassen.

So dürfen auch wir uns von Jesus bescheinen lassen: Beim Nachdenken in einer stillen Stunde im Advent geht mir vielleicht ein Licht auf, dass mir schon oft das Licht Jesu erschienen ist:

Ich habe noch rechtzeitig den richtigen Arzt aufsuchen können. Ich bin wieder genesen von einer schweren Krankheit. Der Herr hat seine bewahrende Hand über uns gehalten bei der Geburt unseres Kindes und vieles mehr. Und nicht zuletzt: Ich darf mit Weihnachten die Geburt Jesu auf mich wirken lassen und bin dabei, zu lernen, ganz auf Jesu zu vertrauen in allen Lebenslagen in der Gewissheit: Mein ganzes Leben mit allen Unwägbarkeiten liegt in der Hand dessen, der im Stall und der Futterkrippe zur Welt kam. Bis hierher hat mich ja Gott gebracht, bis hierher mir geholfen.

So war und ist Gott da – und erst im Nachhinein wird es mir deutlich. Er ist da, auch wenn ich es gerade nicht vermute. Diese Zusage der Nähe Gottes galt auch dem Volk Israel, als es nicht mehr in der Heimat, sondern im Exil war und äußerlich alles gegen Israel gesprochen hat. Doch auch im Exil hat Gott seinem Volk beigestanden – trotz allen Misstrauens gegenüber Gott.

Auch heute ist Jesus da. Im Kind in der Krippe begegnet mir inmitten aller Dunkelheit der allmächtige und ewige Gott, um mich auf die Ewigkeit bei ihm einzustimmen. „Herr, dein Reich komme!“ Amen

Pfr. Frank Wessel

 


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